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Dieses Thema hat 61 Antworten
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saratoga Offline



Beiträge: 109

31.07.2005 22:06
#16 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Ich hatte vor wenigen Monaten zufällig mal auf Phoenix ein Interview mit einem gewissen Robert(?) Kennedy gesehen - also einem Nachkommen oder Verwandten des berühmten Präsidenten. Der sprach darin bei den Zuständen in den Staaten genau die Mussolinische Faschismusdefinition an. Desweiteren kam darin noch die Unfreiheit der Medien im Land zur Sprache. Mittlerweile hat sich da ein ganzes Netz von Kontrollmechanismen etabliert. Schließendlich ist deren Beherrschung notwendig, um die Leute auf Kurs zu halten.

Mittlerweile funktioniert dort alles ja immer besser. Die Kaperung aller möglicher Einrichtungen und "demokratischer Instanzen" macht eine offene Diktatur noch nicht mal notwendig. Stellen die Demokraten tatsächlich eine Opposition dar? Glaubt hier irgendeiner ernsthaft, dass dort die letzte Präsidentenabstimmung den Namen "Wahl" auch nur annähernd verdiente? Ich habe einen Tag danach im Democraticunderground-Forum mehr als unzählige aufgeführte Berichte über Ungereimtheiten, Bedrohungen und Verhinderungen, Manipulationen und Fälschungen gelesen (z.B. Beweis über nachträgliche Fälschung der Exitpolls durch CNN in Ohio), dass mir nur noch schlecht wurde. Doch von verantwortlicher Seite interessiert so etwas offenbar keine Sau mehr (siehe auch Besetzung des Obersten Gerichtshofs mit republikanischen Hardlinern). Die Demokraten sind in dieser Show fürs Volk genauso eingebunden wie die Republikaner - es ist erschreckend. Und in der Öffentlichkeit führen Gestalten wie Friedman, Ledeen, Kristol die Einpeitscher. Die Verantwortlichen können praktisch schon´jetzt machen, was sie wollen. Sogar die abgelehnte paradoxe Nominierung eines der größten UN-Hetzer Bolton als UN-Botschafters fällt darunter, denn Bush könnte ihn auch einfach ernennen. Dabei gibt es ganz sicher andere Beweggründe.

[ Editiert von saratoga am 31.07.05 22:10 ]

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

01.08.2005 08:16
#17 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@Roblion
der Faschismus war zur Zeit Nazideutschlands in zahlreichen Ländern verbreitet. Ob Weißrussland, Dänemark, auch die USA überall gab es Parteien, Gruppierungen, die sich Faschisten nannten und zum Teil unverhohlen die Eroberungspolitik Hitlers stützten.

Mir macht diese Gleichschaltung der Gedanken, die Verherrlichung der Gewalt Angst. In den USA losgetreten lese ich nun auch heute in der Berliner Zeitung, dass ein "demokratisch" ins Amt beförderter Innenminister Beckstein verdächtige Ausländer wegsperren lassen will. Auf gut Deutsch, da will sich jemand die Mühe sparen, einem Verdächtigen die Schuld nachzuweisen, sondern ihn gleich ohne Urteil mit einem willkürlich festgelegten Strafmaß belegen. Wenn sich dieses Gedankengut der Willkür weiter verbreitet, na dann Prost Mahlzeit.

Für diejenigen, die da meinen, es sei doch ganz gut, wenn die Polizei handeln dürfe, bevor es zu spät ist, und dann dabei auf solche Typen wie den Kalifen von Köln(?) verweisen, macht Euch die Mühe und pusselt mal Guantanamo auseinander. Dort sitzen nach Angaben der Folterer mindestens ein Drittel schuldlos in Haft. Das Pech derjenigen: sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Was ihnen nicht hilft, weil sie weiter festgehalten und gefoltert werden. Nun stellt Euch einfach vor, ihr, oder eine euch nahestehende Person würde in solch eine Situation kommen.

Im selben Artikel steht übrigens, eine Mehrheit der Bundesbürger befürwortet den Einsatz der Bundeswehr zur Terrorabwehr. ??? Militär gegen Terror ??? Wo das hinführt - dem empfehle ich den Film "Ausnahmezustand" mit Bruce Willis.

So werden schleichend auch bei uns die Bürgerrechte zerpflückt.

Mit dem ständischen Wirtschaftsmodell werde ich mich mal näher befassen. Dazu poste ich später .

Viele Grüße
vom Schreiberling

roblion Offline




Beiträge: 97

01.08.2005 16:06
#18 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Aber die Frage, die sich mir stellt, ist die: Können wir die Vorkommnisse in den USA wirklich als Faschismus bezeichnen? Ich habe da so meine Zweifel.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

01.08.2005 17:48
#19 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@Roblion
diese Zweifel habe ich auch, und doch es gibt immer mehr, wo ich starke Befürchtungen bekomme, dass die USA denselben Weg beschreiten, wie die Nazis damals in Deutschland. Hitler war auch nicht sofort der massenmordende Verbrecher. Wobei in seinem Buch ließ er nie einen Zweifel über seine Ziele. Das hat er mit Bush schon gemeinsam, denn der redet ja auch stramm davon, was er so noch vor hat. ...

Und währenddessen besetzt Bush immer mehr Positionen mit treu ergebenen Bushisten, die allesamt seine Willkürherrschaft unterstützen. Im Kongress agieren Demokraten und Republikaner schon weitestgehend gleichgeschaltet...

saratoga Offline



Beiträge: 109

01.08.2005 18:32
#20 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Zitat
saratoga:
Sogar die abgelehnte paradoxe Nominierung eines der größten UN-Hetzer Bolton als UN-Botschafters fällt darunter, denn Bush könnte ihn auch einfach ernennen. Dabei gibt es ganz sicher andere Beweggründe.

... und gerade höre ich auf der Heimfahrt im Radio, dass der Diebold-Präsident den Bolton als UN-Botschafter ernannt hat. Pünktlich einen Tag, nachdem die Iraner die Fortführung ihres zivilen Atomprogramms ankündigten. Wenn das mal nicht das Feuersignal auf den Iran ist...

roblion Offline




Beiträge: 97

01.08.2005 20:39
#21 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@Schreiberling

Ich würde nicht immer vom polemischen Bushismus sprechen, das ganze hat ja auch einen bestimmten Namen: PNAC. Guck dir nur mal einige Mitglieder des PNAC an. Es finden sich Namen wie Jeb Bush, Dick Cheney, Steve Forbes, Francis Fukuyama, Donald Kagan, Zalmay Khalilzad, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Richard Perle, Richard Armitage und selbst unser lieber UN-Botschafter Bolton gehört zu ihnen.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

02.08.2005 08:24
#22 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@Roblion
vielleicht hast Du Recht, und man wertet damit die Rolle von Bush nur auf, wenn man vom Bushismus schreibt. Dennoch steht sein Name wie ein Pseudonym für eine rücksichtslose, egoistische Politik, die ohne Skruppel jedes Mittel einsetzt um ihre Ziele zu erreichen. Und letzten Endes ist er als Präsident der Hauptverantwortliche.
Zudem begann der Bushismus nicht mit George W. Bush. Der führt nur fort, was unter seinem Vater bereits begann. Der Familienclan der Familie Bush sitzt in zahlreichen entscheidenden Positionen. Bruder, Schwager - manchmal hat man den Eindruck es herrschen monarchistische Verhältnisse in den USA.

roblion Offline




Beiträge: 97

02.08.2005 15:17
#23 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@Schreiberling

Ich würde wirklich vom Begriff des Bushismus abweichen. Die Familie Bush hat damit eher sekundär was zu tun. Nenn es doch einfach Neokonservatismus. Den gibt's auch länger als dass Bush an der Macht ist. Und ihn wird's auch noch geben, wenn Bush 2008 abtritt. Lies dir mal Emmanuel Todd dazu durch. Der sagt ein Ende der US-Weltmacht bis 2050 voraus. Der deutsche Titel ist vielleicht ein bisschen unglücklich gewählt: "Weltmacht USA. Ein Nachruf" beschreibt mehr als den seichten Niedergang der USA denn vielmehr die globale Entwicklung. Es ist mehr als ein Glück für das Buch, dass dessen Autor nicht nur Politologe, sondern außerdem noch Demograf, Historiker und Anthropologe ist. Und laut Todd resultieren die letzten - unbedeutenden bzw. leicht zu gewinnenden - Kriege aus der amerikanischen Angst vor dem voranschreitenden Untergang als Weltmacht und der zunehmenden Abhängigkeit der USA von der Welt als andersherum.

Ich hab für dich mal ein paar Texte zu Todd bzw. von ihm herausgesucht:

Weltmachttheater - Die Kriegswut der USA resultiert nicht aus ihrer militärischen Stärke, sondern ihrer ökonomischen Schwäche == SteinbergRecherche
Die Schwäche der Sieger - Amerika degeneriert, Europa ist die kommende Macht – der französische Historiker Emmanuel Todd über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen == Die Zeit vom 24.04.2003
Der Untergang des US-Imperiums - Amerika verliert zusehends seine Macht und setzt daher auf einen demonstrativen Militarismus. Dagegen müssen sich Europäer mit Russen verbünden und die UNO stärken == Die taz vom 15.3.03. hat das letzte Kapitel seines Buches abgedruckt.

Abschließend kann man noch sagen, dass er 1975 mit "La Chute finale" bereits den Untergang der Sowjetunion vorhergesehen hat.

nathschlaeger Offline



Beiträge: 164

02.08.2005 15:40
#24 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Danke für die tollen Links. Der Mann analysiert sehr überzeugend.

lg/Peter

DaRockwilda Offline




Beiträge: 22

02.08.2005 16:29
#25 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Hm also dass die USA zunehmend in einen faschistischen Staat verwandelt werden ist doch unübersehbar. Hier ein Link mit 12 alarmierenden Zeichen für Faschismus, und alle 12 erfällt die USA heute schon

http://mvp-seattle.com/pages/pageFascism.htm

saratoga Offline



Beiträge: 109

02.08.2005 20:33
#26 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@ roblion,

der Todd muss schon ein neues Buch haben, Titel
"After the Empire: The Breakdown of the American Order"

roblion Offline




Beiträge: 97

03.08.2005 14:39
#27 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

@saratoga

Meinst du wirklich, dass das ein neues Buch ist? Es ist nur die englische Übersetzung des französischen Titels seines Buches: Après l'empire, Essai sur la décomposition du système américain - jedenfalls in meinen Augen. Ich werde mir jedenfalls bald sein Buch "Die neoliberale Illusion" (der französische Titel L'illusion économique gefällt mir auch besser) anschaffen.

saratoga Offline



Beiträge: 109

03.08.2005 14:46
#28 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Ja, wahrscheinlich hast Du recht. Ich habe das nicht näher verfolgt und als Quellennachweis gefunden.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

27.10.2005 14:51
#29 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Zitat
Fabrikation der Beweise für den Irak-Krieg

Florian Rötzer 27.10.2005
Möglicherweise werden heute oder in den nächsten Tagen hohe Regierungsvertreter im Weißen Hauses von einem Sonderermittler wegen Geheimnisverrats angeklagt, eigentlich aber geht es um die Kriegslügen der Bush-Regierung
Die Bush-Regierung ist in Bedrängnis, Anspielungen auf Watergate gibt es zuhauf . Mit der Affäre um die Entlarvung der CIA-Agentin Valerie Plame ist eine ganze Reihe von wichtigen Mitarbeitern des Weißen Hauses bis hin zu Vizepräsident Cheney verstrickt. Angeklagt werden könnten etwa Karl Rove, Berater von US-Präsident Bush, oder Lewis Libby, Vizepräsident Cheneys Stabschef, der für den Vizepräsidenten mit dem ominösen Office of Special Plans die "Beweise" für den gewünschten Krieg gegen den Irak zusammen zimmerte, nachdem die Geheimdienste nicht richtig mitzogen und sich nicht ganz von der Wahrheit entfernen wollten . Bei Valerie Plame – die zur Lewinsky der Bush-Regierung zu werden droht - geht es um gefälschte Dokumente, um die "16 Worte" von Bush und darum, ob Mitglieder des Weißen Hauses direkt an der Fabrikation von falschen Behauptungen beteiligt waren. La Repubblica hat neue Einzelheiten zum "Nigergate" veröffentlicht.

Sobald 2003 die Internationale Atombehörde im März 2003 endlich die Dokumente erhalten hatte, die angeblich beweisen sollten, dass der Irak unter Saddam Hussein versucht habe, 500 Tonnen Uranoxid vom Niger zu kaufen, stellte es sich schnell heraus, dass die Dokumente auf offiziellem Briefpapier der Regierung Nigers eine plumpe Fälschung waren und daher Bush in seiner Rede an die Nation am 29.01.2003 mit seinen "16 Worten" die Unwahrheit sagte. Den schon lange beschlossenen Krieg konnte das natürlich nicht aufhalten. Zuvor hatte Außenminister Powell im Dezember 2002 in seiner Rede vor der UN ebenfalls die Behauptung, der Irak habe ein Atomwaffenprogramm, damit begründet. Nach Bushs Aussagen noch einen Monat später habe man Geheimdienstinformationen über die Existenz von chemischen, biologischen und nuklearen Massenvernichtungsmitteln im Irak, das damalige Hauptargument für eine militärische Intervention aufgrund der Verletzung der UN-Resolution. Bush schob allerdings die Behauptung über die Beschaffung des Uran aus dem Niger den Briten zu:

The British government has learned that Saddam Hussein recently sought significant quantities of uranium from Africa.

Lange bot man in der britischen und der amerikanischen Regierung alle rhetorischen Kniffe auf, die Spindoktoren ziehen können, um zu verschleiern, dass man entweder einem billigen Betrug aufgesessen sei oder Dokumente gefälscht habe ([local] Schwierige Suche nach Sündenböcken). Da war etwa die Rede vom Geheimdienst eines weiteren Landes, das aber nicht genannt werden wollte. Man versuchte auch, hier eine Spur zum französischen Geheimdienst zu legen, um dem Kriegsgegner Frankreich die Schuld in die Schuhe zu schieben. Blair, auf den der Große Bruder alles abwälzte, wollte sich herauszureden, dass man die Erkenntnisse gar nicht auf diese Dokumente gestützt habe. Schließlich musste auch noch der damalige CIA-Chef Tenet zu Hilfe eilen und die Schuld auf den Geheimdienst laden, der sich eigentlich doch gerade als Lügenlieferant störrisch verhalten hatte. Die US-Regierung versuchte sich mit Unwissen und Unschuld zu verteidigen, obgleich der CIA schon seit Ende 2001 von diesen Dokumenten wusste und sie nicht als glaubwürdig betrachtet hatte (u.a. wegen dieser Unbotmäßigkeit wurde ja das Office of Special Plans in Gang gesetzt). Im Weißen Haus wollte man davon aber nie etwas gehört haben.
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Der ehemalige, medialer Aufmerksamkeit nicht abgeneigte Botschafter Joseph Wilson brachte sich auch selbst ins Spiel und bekannte, vom CIA oder gar von Cheney beauftragt 2002 in den Niger gereist zu sein und festgestellt zu haben, dass die Dokumente gefälscht waren und die Story nicht glaubwürdig ist. Damit war wohl für die CIA der Fall endgültig erledigt, nicht aber für das Weiße Haus. Wilson tat die [extern] Ergebnisse seiner Erkundungen öffentlich am 6. Juli 2003 in der New York Times kund, kurz darauf deckte der regierungsnahe Journalist Robert Novak auf, dass nach verlässlichen Informanten aus dem Weißen Haus die Frau von Wilson eine CIA-Agentin ist. Das wurde gemeinhin als Rache des Weißen Hauses verstanden. Das ist eine Straftat in den USA – und Bush kam gerade unter den von ihm gesteckten Bedingungen des Kriegs gegen den Terror nicht umhin, eine schonungslose Aufdeckung zu versprechen.

Kompliziertes Gemauschel

Am 16. Juli veröffentlichte die italienische Zeitung La Repubblica die gefälschten Dokumente und beschrieb, dass der italienische Geheimdienst Sismi in die Affäre von Anfang verwickelt war. Eine heiße Geschichte, da Berlusconi Italien an der Seite von Bush und Blair in den Krieg geführt hat, während die Mehrheit der Bevölkerung dagegen war. Heiß war dies auch deswegen, weil darin die Journalistin Elisabetta Burba von der Zeitschrift Panorama verwickelt war, die zu Berlusconis Medienreich gehört. Schon 2002 stand in einem Artikel dieser Zeitschrift, dass der Irak sich Uran von Nigeria (nicht Niger) besorgt habe. Burba hatte die gefälschten Dokumente schließlich zur amerikanischen Botschaft gebracht, die diese sofort nach Washington sendete.

Erhalten hatte sie diese von Rocco Martino, einem ehemaligen Carabinieri und Sismi-Mitarbeiter, der seit 1999 in Luxemburg lebte und sein Geld als Informant des französischen Geheimdienstes verdient. Dieser hatte wiederum mit der Hilfe und im Auftrag von alten Sismis-Bekanntschaften Briefpapier und Stempel aus der Botschaft Nigers durch einen fingierten Einbruch Anfang 2001 beschafft.

La Repubblica hat nun eine [extern] Serie von [extern] Artikeln über "Nigergate" veröffentlicht, die noch einmal die ganze Geschichte aufrollen und sie näher an die italienische Regierung und ans Weiße Haus heranbringen. Nach Informationen der Zeitung haben Martino und Antonio Nucera, ein Sismi-Mitarbeiter, ursprünglich den Plan ausgeheckt, sich mittels Mitarbeitern der Botschaft das Notwendige für eine Fälschung zu holen. Dabei spielte eine 60-jährige Frau, eine Rolle, die nur als "La Signora" in dem Zeitungsartikel auftaucht. Sie habe wiederum den ersten Konsul Zakaria Yaou Maiga hingewiesen, der schließlich einen Einbruch vortäuschte, den ein Botschaftsangehöriger dann Anfang Januar 2002 der Polizei meldete. Mit dem Material wurde beispielsweise ein auf Juli 2000 datiertes Dokument gefälscht, das Verhandlungen zwischen Irak und Niger belegen sollte. Martino habe man gebraucht, um die Dokumente zu überbringen und die Beteiligung von Sismi verdeckt zu halten. Mit den guten Beziehungen von Martino zum französischen Geheimdienst versuchte man nach geglückter Fälschung die Dokumente diesen zu verkaufen, so dass man für das erste darauf sitzen blieb, bis der 11.9. kam. Nach Geheimdienstchef Pollari, der La Repubblica ein Gespräch gewährte, wollte Nucera einfach nur Martino helfen.

Dann geht es mit Oktober 2001 weiter, als der Plan im Weißen Haus schon fertig war, in den Irak einzumarschieren, wenn Afghanistan als erstes Ziel eingenommen und der Krieg gegen ein zweites, nicht mit al-Qaida verbundenes Land trotzdem als notwendige Weiterführung des Kriegs gegen den Terror legitimiert werden konnte. Damals hatte Nicolo Pollari, der Chef des italienischen Militärgeheimdienstes Sismi, bereits die CIA davon benachrichtigt, dass der Irak versucht habe, Uran (Yellowcake) aus dem Niger zu kaufen. Das könnte bestätigen, dass der Irak bereits im Visier stand und die engen Verbündeten wie Blair und eben Berlusconi bereits ins Vertrauen gezogen worden waren. Die CIA scheint aber auf die "Beweise" nicht angesprungen zu sein.

Nach La Repubblica war für Berlusconi und Pollari das Hauptmotiv, Anerkennung von den Amerikanern als Verbündete zu erhalten. Der italienische Geheimdienst sollte eine wichtige Rolle spielen und daher Beweise für Saddams Schuld herbeischaffen, die das Weiße Haus begehrte. Als die CIA blockierte ging man den direkten Weg ins Weiße Haus. Pollari traf sich am 9. September 2002 angeblich geheim in Washington mit dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater Stephen Hadley, der unter Condi Rice arbeitete und gute Verbindungen auch zu Cheney hatte. Das habe ein leitender Mitarbeiter von Sismi der Zeitung auch bestätigt. Dort dürfte es nach der Zeitung aber nicht nur um die Niger-Dokumente gegangen sein, sondern auch um die ebenso ominösen Aluminiumröhren für Zentrifugen zur Herstellung von Plutonium, für die Sismi angeblich Beweise hatte (auch wenn sie ganz gewöhnliche Kanonenrohre für. Einen Tag zuvor waren sie von Judith Miller als smoking gun präsentiert worden.

24 Stunden später, so La Repubblica, erschien in der New York Times auf der ersten Seite der Artikel White House Lists Iraq Steps to Build Banned Weapons von Judith Miller und Michael Gordon, die so tapfer ihren Informanten vor dem Sonderermittler Patrick Fitzgerald gedeckt und dafür sogar ins Gefängnis gegangen war (allerdings geht es hier vornehmlich um die Zentrifugen, eine andere Schwindelstory). Die einstige Starjournalistin mit ihren guten Verbindungen, die gerne über Massenvernichtungswaffen geschwafelt und darüber auch ein Buch veröffentlicht hatte, war allerdings schon abgestürzt, nachdem im Irak nichts gefunden worden war und sich die New York Times für ihre regierungskonforme Berichterstattung entschuldigt hatte . Dass Miller zutiefst in der Sache steckt, ist mittlerweile allen klar, die New York Times ist nun diskreditiert, weil sie so lange zu ihr stand. Drei Tage danach erschien der schon erwähnte Artikel in Panorama. Schließlich veröffentlichte die britische Regierung ihr erstes Geheimdienstdossier über die angeblichen Massenvernichtungswaffen Husseins, mit dem der "Beweisgang" eröffnet und der Weg zum Krieg endgültig eingeschlagen wurde.

Es gibt auch Vermutungen, dass die dubiose Neocon-Ikone Michael Ledeen, ein alter Kriegstreiber, ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater, Mitglied des American Enterprise Institute (AEI), verwickelt bereits in die Iran-Contra-Affäre und verwoben mit dem Weißen Haus, mit Nigergate verbunden ist. Ledeen hat bekanntermaßen als "Italienexperte", der er unter anderem ist, auch Kontakte zur italienischen Regierung und zum Geheimdienst.

Die italienische Regierung hat die Behauptungen der Zeitung inzwischen als [extern] unbegründet und haltlos zurückgewiesen. Es gebe keinerlei Verbindungen zwischen den gefälschten Dokumenten und Sismi oder der Regierung. Das hätten auch Untersuchungen ergeben, die von britischen und amerikanischen Berichten bestätigt worden seien.


Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21223/1.html

Auf der Originalseite bei Heise.de gibt es in diesem Artikel zahlreiche Links als Beleg und Weiterführung des Themas.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

04.11.2005 14:40
#30 RE: Der Irakkrieg - Nachrichten am Rande Antworten

Interessante Innenansichten einer Junta:

Zitat
Bush-Berater
"Rumsfeld ist gefährlich"

© Sarah Brennan/New America Foundation
Pikante Statements eines Insiders: Lawrence Wilkerson, Stabschef unter Colin Powell packt aus über Misstände der Bush-Regierung


Als Stabschef unter Colin Powell im US-Außenministerium erlebte Lawrence Wilkerson, wie George W. Bush in den Irak-Krieg zog. Jetzt packt der Insider aus und berichtet von haarsträubenden Zuständen in der Führung des Landes.

Oberst a.D. Lawrence Wilkerson trat mit der Berufung von Condoleezza Rice zur Außenministerin Anfang dieses Jahres zurück. Im Interview mit dem stern spricht er zum ersten Mal öffentlich über seine Erfahrungen.

Herr Wilkerson, warum haben Sie sich entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen?
Es war wohl mein schlechtes Gewissen. Ich ging meine Notizen durch, eine Vorbereitung für Lehrveranstaltungen, die ich gebe. Und das Bild, das da entstand, war gar nicht gut. Dann musste ich mich entscheiden, ob ich schweige oder nicht.

Welcher Tag war der Schlimmste in Ihrer Amtszeit?
Der 5. Februar 2003. Die Präsentation vor dem Weltsicherheitsrat. Es war der absolute Tiefpunkt meines Lebens. Damals versuchte Colin Powell den Beweis zu führen, dass der Irak Massenvernichtungswaffen habe. Nicht sehr überzeugend. Ich war verantwortlich für die Zusammenstellung des Vortrages. Und er war absolut falsch.

Wurden Colin Powell und Sie belogen?
Ich kann einfach nicht glauben, dass man den Außenminister belog. Nein, wir haben doch alle versagt. Auch die Geheimdienste. Wir erlagen alle einem Gruppendenken. Wir dachten, Saddam hätte diese Waffen. Wir hatten ja auch Informationen von den Franzosen, auch von den Deutschen. Doch fast mehr noch schäme ich mich dafür, wie wir unsere Gefangenen behandeln. Es hieß doch immer, nach der Genfer Konvention. Doch das glatte Gegenteil war der Fall. Wir haben gefoltert. Auf faktische Anweisung des Verteidigungsministers und entgegen aller Dienstvorschriften der Armee. Und in zehn Jahren, wenn wir die ganze Wahrheit wissen, dann wird sich das ganze Land schämen."

In welchem Klima konnte das alles passieren?
Es ist eine Intrige. Eine Intrige von Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld. Immer wieder unterliefen sie dem normalen Entscheidungsprozeß. Die wichtigen Entscheidungen wurden heimlich getroffen. Von Cheney und von Rumsfeld. Diese Entscheidungen, etwa in Bezug auf den Irak-Krieg, sind sehr gefährlich für unsere nationale Sicherheit. Und das bei einem Präsidenten, der nicht sehr versiert ist, was Außenpolitik betrifft, und auch nicht sonderlich interessiert. Und so entwickelte sich eine Intrige im Weißen Haus. In meinem ganzen Arbeitsleben habe ich noch nie solche Fehltritte, Verfälschungen und Störmanöver erlebt.

Welche sind das?
Man ging etwa allen Ernstes davon aus, man könne im Irak innerhalb von 120 Tagen eine stabile Regierung schaffen, einen Präsidenten installieren. Es gab keinen Plan für den Irak. Ich habe an geheimen Sitzungen teilgenommen, nach denen man sich nur die Haare raufen konnte.

Haben Sie ein Beispiel?
Es war vor dem Irak-Krieg. Eine Sitzung im Lagezentrum des Weißen Hauses. Der stellvertretende Verteidigungsminister Douglas Feith hatte angebliche Geheimdienst-Informationen. Jeder wusste sofort, dass es sich um Blödsinn handelte, völlig unseriös. Doch Feith sprach, als ob es sich um das Wort Gottes handelte, die absolute Wahrheit. Und alle schwiegen. Es war einfach unglaublich.

Dougals Feith war bis Anfang dieses Jahres die Nummer Drei im Pentagon. Er war zuständig für die gesamte Nachkriegsstrategie im Irak. Ich habe selten einen dümmeren Menschen getroffen. Bei solchen Leuten gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder sind sie hochtrabend arrogant. Oder sie haben überhaupt keine Ahnung von dem, was in der Welt vor sich geht. Und beides ist fürchterlich.

Welche Rolle spielt Vizepräsident Richard Cheney in der Intrige?
Es ist mir ein absolutes Rätsel, was aus diesem Mann geworden ist. Ich habe früher unter Cheney gearbeitet, als er noch Verteidigungsminister war, und er war ein guter Minister. Doch heute ist er ein vollkommen anderer Mensch. Manche sprechen sogar von einer Paranoia im Zusammenhang mit dem 11. September.

Warum unternimmt Präsident Bush nichts?
Ich glaube, viele Entscheidungen liefen unterhalb des Radarschirms ab. Von ihnen wusste Bush nichts. Und das ist schon schlimm genug. So wird unsere Außenpolitik ja immer militaristischer. Bush hätte Verteidigungsminister Rumsfeld schon lange feuern müssen. Dieser Mann ist gefährlich.

Wie erlebten Sie Condoleezza Rice, die damalige Nationale Sicherheitsberaterin?
Der Nationale Sicherheitsbrater hat die Aufgabe, verschiedene Positionen und Interessen zu bündeln. Er soll eine Art Schiedsrichter sein. Sicher wurde Condolezza von Männern wie Cheney und Rumsfeld manchmal einfach plattgemacht. Doch Frau Rice war vor allem viel zu sehr damit beschäftigt, vertrauliche Nähe zum Präsidenten zu suchen. Sie wollte in den inneren Zirkel. Sie sah immer so aus, als wolle sie nur Macht. Ihre Augen waren immer etwas zu hungrig. Und sie hat es ja schon bis zur Außenministerin gebracht.

Wird jetzt im Weißen Haus an einem neuen Kriegs-Szenario gebastelt, etwa an einem Militäreinsatz gegen den Iran?
Im Iran entwickelt sich eine sehr gefährliche Lage. Die Äußerungen des iranischen Präsidenten... ... der fordert, Israel müsse ausradiert werden.... ... all das ist sehr gefährlich. Dazu gehören auch die nuklearen Ambitionen. Aber wir haben vier Jahre lang gar nichts gemacht, um eine politische Lösung zu finden. Daran ist auch der Präsident schuld. An eine von den USA inszenierte Militäroperation glaube ich persönlich nicht. Ich habe Jahrzehnte in der Armee gedient. Ich weiß, wie überlastet sie allein mit dem Irak-Krieg ist. Es sei denn, der Iran begeht eine Dummheit. Dann müssen wir reagieren, vielleicht auch militärisch. Doch dies würde dann nicht nur die USA betreffen.

Lassen sie mich noch sagen, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu den wichtigsten in der Welt gehören. Ich mag Deutschland und einige meiner besten Freunde sind Deutsche. Ich hoffe, dass ein neuer Kanzler und ein neuer Präsident die Beziehungen wieder kitten kann. Neulich sprach ich mit einem hochgestellten Mitarbeiter des Außenministeriums. Ich fragte ihn nach dem Irak. Er schaute mich nur erstaunt an und sagte, man habe nichts zu tun mit dem Irak. Das machen andere, meinte er. Er riet mir, ich solle mich ans Pentagon wenden.

Interview: Katja Gloger, Washington

http://www.stern.de/politik/ausland/:Wilkerson--Interview-Der-Irak-Intrigen-Rumsfeld-Cheney/548793.html?nv=ct_cb

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