Thema von Capella im Forum Vorstellung von andere...
Hi ihr,
ich hab mich gerade hier im Forum angemeldet.
Eigenwerbung ist ja kein so ganz feiner Zug (obschon in der schreibenden Zunft eh unerlässlich), aber ich dachte, wenn es schon so eine nette Rubrik dafür gibt, stelle ich euch auch gleich mal meine Homepage vor.
Thema von Capella im Forum Tipps und Erfahrungen...
Hi,
mich beschäftigt gerade die Frage, warum eigentlich alle, die Schreiben (mich eingeschlossen), so scharf darauf sind, ihre Texte veröffentlicht zu sehen.
Offensichtlich ist das so, sonst gäbe es nicht so viele Bücher, Internetseiten etc., die nichts anderes zum Thema haben als "wie kriege ich mein Buch bei einem Verlag unter".
Finanzielles Interesse ist es eher selten, denke ich. Klar gibt es ab und zu Schriftsteller, die mit ihrer Arbeit echt reich werden (Stephen King, J.K. Rowling oder Astrid Lindgren eben...), aber das ist ja nun wirklich die absolute Superausnahme und eher wie ein 6er im Lotto.
Auch würden die Zuschussverlage und andere autorenfinanzierten Veröffentlichungswege ja wohl kaum Chancen haben, wenn es dem Autor darum ginge, Geld zu verdienen.
Aber was ist es dann?
Lob und Anerkennung... spielt sicher eine wichtige Rolle. Kann ich aber zumindest im kleinen Rahmen auch kriegen, indem ich meine Texte im Freundes- und Familienkreis verbreite. Die sind meist ein dankbares Publikum.
Ruhm?
Ja. Ich habe einige meiner Texte auf meiner Homepage. Und ab und zu findet sie da jemand, der mich gar nicht kennt und eher zufällig da gelandet ist. Neulich bekam ich mal eine Mail von einer Französin, die mir nur kurz schreiben wollte, um meine englischsprachigen Texte zu loben. Das hat mich total gefreut.
Ein andermal hat mich jemand an der Fernuni angesprochen, weil er mein Foto von meiner Homepage kannte. Kleiner hausgemachter Ruhm Davon hätte ich schon gerne mehr, und das ließe sich mit einem gedruckten und veröffentlichten Buch vielleicht schon erreichen.
Irgendwie habe ich aber noch das Gefühl, dass da noch mehr ist, dass es noch einen anderen Grund gibt, warum einem diese Idee, auf Papier gedruckt in größerer Auflage zu erscheinen, so wichtig ist. Ich kann es aber nicht wirklich packen, was das ist.
Wie seht ihr das? Warum ist es uns so wichtig, Bücher zu schreiben? Echte, anfassbare, auf Papier gedruckte Bücher? Warum geben wir uns nicht damit zufrieden, die Texte z.B. nur ins Internet zu stellen (wo sie ja überraschenderweise doch recht häufig gelesen werden)?
Thema von Capella im Forum Texte aller Art, Gedic...
Hi,
ich habe mich in eine neue, im deutschen Sprachraum wohl noch ziemlich unbekannte Literaturgattung verliebt, "Drabbles" oder Ultra-Kurzgeschichten, Geschichten, die genau 100 Wörter lang sind. Die Idee ist, in diesen 100 Wörtern trotzdem eine ganze Geschichte zu erzählen oder doch zumindest soviel, dass vor dem inneren Auge des Leser eine ganze Geschichte entsteht (wenn auch natürlich nicht notwendigerweise bei jedem die gleiche).
Hier ein paar Beispiele, vielleicht könnt ihr ja was damit anfangen,
Capella
Kriegstanz
Kitakambo tanzt. Er tanzt den ältesten Tanz seines Stammes. Die Trommeln lassen ihren dumpfen Klang über die Savanne dröhnen. Wirbelnde Füße im Schein der vielen Feuer. Rhythmisch stoßen die Speerschäfte auf den Boden. Seit jeher ist dieser Tanz eine Warnung an die Feinde seines Volkes.
Fasziniert folgt die Touristengruppe dem exotischen Ritual. Nacht für Nacht kommen sie in Scharen, um Kitakambo und seine Brüder tanzen zu sehen. Fremde, die zuerst ihre Götter verhöhnt, ihnen ihr Land gestohlen und schließlich ihre Jagdbeute ausgerottet haben. Die Feinde wollen die Warnung einfach nicht verstehen. Genug ist genug. Langsam hebt Kitakambo seinen Speer.
Orchesterprobe. Jelenas Finger suchen die Saiten ihrer Harfe. Jetzt, ihr Glissando. Der Dirigent hält inne. Unruhe unter den Musikern. „Die Stelle gleich noch mal, bitte“ Die Flöten, der Einsatz der Geige, Glissando. Diesmal hat Jelena es auch gemerkt. Der Dirigent sieht sie an. „Das müssen Sie doch hören. Die Harfe ist völlig verstimmt.“ Jelena macht sich an den Wirbeln zu schaffen. Dann nickt sie. Einsatz. Jelena wagt kaum noch, die Saiten anzuzupfen. Dieser Missklang. Der Dirigent schnaubt verächtlich.
Jelena wachte schweißgebadet auf. Seit drei Wochen spielte sie im Orchester der Philharmonie. Seit drei Wochen jede Nacht der gleiche Traum.
Mit zitternden Händen hielt Sergeij die Flasche umklammert. Gleich war es soweit. Überall auf der Welt machten sich Menschen bereit, das Gleiche zu tun, wie er. Menschen, die seine Vision teilten: Phil in New York, Margit in Amsterdam, Han Cho in Peking, Robert in Oxford und unzählige Andere. Die Internetviren waren schon seit Wochen unbemerkt verbreitet worden und würden ebenfalls zeitgleich ihr vernichtendes Werk beginnen. Die Auslöschung des Wissens. Ein Neuanfang für die Menschheit. Total reset.
Punkt 5.00 Uhr Moskauer Ortszeit entzündete Sergeij sein Feuerzeug, setzte den Molotov-Cocktail in Brand und warf ihn durch das Fenster der russischen Staatsbibliothek.
Thema von Capella im Forum Texte aller Art, Gedic...
Ich hatte Mikaela zufällig in der Fußgängerzone getroffen. Jetzt saßen wir zusammen in einem netten Straßencafé und tauschten Erinnerungen aus. Schließlich hatten wir uns wirklich ewig nicht gesehen. Sie wirkte gestresst und unruhig, aber sie sah noch genauso gut aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Eigentlich schade, dass das nie so richtig geklappt hatte, mit uns beiden.
Ich erzählte, dass ich erst kürzlich meinen Job verloren hatte. In der IT-Branche war eben auch nicht alles rosig. Sie sei immer noch Redakteurin bei der Lokalzeitung, berichtete Mikaela. Wir tauschten Belanglosigkeiten aus: „Was macht eigentlich…?“, „Hast du noch mal was von…?“ und „Weißt du noch?“
Sie schien nicht recht bei der Sache. Ständig schaute sie sich nach anderen Leuten um. „Erwartest du jemanden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Du wirkst irgendwie nervös. Angespannt. Ist was?“, fragte ich. „Nein, nicht wirklich. Ich bin nur etwas abgelenkt zurzeit.“ „Die Arbeit?“ „Was? …oh, ja, die Arbeit. Viel Stress im Moment.“ Sie schaute wieder von einem Cafébesucher zum anderen. So etwas ist in gewissem Maße ansteckend. Auch ich begann, die anderen Gäste und die Passanten näher zu mustern.
Herr Feigand von der IBO-Soft ging vorbei, bemerkte mich aber nicht. „Schau mal!“, sagte ich und deutete auf einen der Vorübergehenden. „Der wird vielleicht mein neuer Chef. Bei dem hatte ich gestern ein Vorstellungsgespräch und der wirkte ganz angetan.“ Mikaela starrte ihm nach. Dann schaute sie mich an. „Überleg dir das gut. Der hat eine ganz negative Aura. So dunkelgrün. Wirkt irgendwie bösartig.“ Ich muss sie ziemlich dumm angesehen haben. Ich kannte Mikaela als selbstbewusste, zielstrebige Karrierefrau, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. „Dunkelgrün?“, fragte ich nach, nicht ganz sicher, sie richtig verstanden zu haben. „Ja, dunkelgrün. Das ist nicht gut. Hinterhältig, meistens.“ „Du meinst, du kannst bei Menschen eine Aura sehen?“ „Ja. Ich hätte das auch nie für möglich gehalten. Aber alle Menschen haben eine Aura. Du musst dich nur darauf einlassen. Dann ist es ganz deutlich. Ein farbiges Leuchten um sie herum. Und die Aura lügt nie. Es ist faszinierend.“
Sie wirkte fast ein wenig entrückt, als sie das sagte. Ich konnte es nicht fassen. Was war mit meiner vernünftigen Mikaela passiert? „Wer hat dir denn das erzählt? Bist Du irgendeiner esoterischen Sekte beigetreten oder so?“ „Das ist gar nicht nötig. Jeder Mensch kann Auren sehen. Er muss sich nur dafür öffnen.“ Ich war sprachlos. Was konnte man darauf erwidern?
Plötzlich hatte Mikaela es sehr eilig. „Danke für den Kaffee. Vielleicht sehen wir uns ja demnächst noch mal. Ruf mich doch an, meine Nummer hast du ja sicher noch.“ Ja, hatte ich, aber ich war mir nach diesem Gespräch nicht so sicher, ob ich eine Fortsetzung wünschte. Sie hatte aber sowieso keine Antwort abgewartet, sondern war schon in der Menge verschwunden.
Kurz darauf fing es an. Zunächst war es nur ganz schwach. Vielleicht sah ich, ausgelöst durch Mikaelas Geschwätz, die Menschen auch wirklich etwas anders an als vorher. Erst dachte ich, es wäre nur eine Täuschung, Lichtreflexe von den vielen Schaufenstern. Oder vielleicht stimmte etwas mit meinen Augen nicht. Aber alles Blinzeln und Reiben änderte nichts: Um die anderen Menschen nahm ich plötzlich eine dünne Hülle farbigen Lichts wahr. Je mehr ich darauf achtete, desto deutlicher und strahlender wurden diese Hüllen.
Die Bäckereifachverkäuferin leuchtete mich hellgelb an, als sie mein Brötchen in die Tüte packte. Es war eine freundliche Farbe. Ich lächelte beim Bezahlen. Der alte Mann, der auf der Bank in der Sonne saß, war dunkelblau, er sah sehr zufrieden aus. Ein paar Kinder spielten lautstark Fangen und strahlten dabei in Rot- und Grüntönen.
Fasziniert ließ ich meine Blicke hin und herschweifen. Tatsächlich! Sie waren alle bunt. Ich machte ein Spiel daraus, mir vorher zu überlegen, wie wohl die Aura von bestimmten Menschen aussehen würde. Der Busfahrer, wahrscheinlich müde und ein bisschen genervt…flackernd neongrün. Unser Hausmeister, leicht reizbar aber eigentlich ein guter Kerl, orange.
Ich lernte, das grundsätzliche Wesen eines Menschen und seine augenblickliche Stimmung auseinander zu halten. Es war wirklich erstaunlich, wie viel man an der Aura ablesen konnte. Ich ertappte mich mehrfach dabei, dass ich meinem Gegenüber in einem Gespräch gar nicht wirklich zuhörte. Es war doch viel spannender, zu beobachten, wie plötzliche Emotionen einen Farbwechsel oder ein helles Aufstrahlen der Aura verursachten.
Ich hätte meine neuen Erfahrungen gerne mit jemandem geteilt. Ich versuchte, Mikaela zu erreichen, aber sie hob nicht ab. Vielleicht war sie noch in der Redaktion. Ich erwog, die Auskunft anzurufen und mir die dortige Telefonnummer heraussuchen zu lassen, aber dann verzichtete ich. Beim Telefonieren würde ich keine Auren sehen können. Wie konnte ich da überhaupt einschätzen, was mein Gesprächspartner dachte und fühlte?
Jemand anderem von meiner neuen Fähigkeit zu erzählen, erschien mir nicht ratsam. Wer würde mir glauben? Wenn ich daran dachte, wie skeptisch ich selbst gewesen war. Ich schwieg also und sammelte Erfahrungen. Die Lichterscheinungen wurden immer deutlicher, überstrahlten alle anderen Wahrnehmungen. Selbst wenn ich ein Auto vorbeifahren sah, sah ich nicht den Kasten aus Stahl, sondern das Leuchten der mitfahrenden Personen. Bei Autobussen musste ich gelegentlich sogar die Augen schließen, um nicht von den vielfarbigen Strahlen geblendet zu werden.
Die nächsten Tage bewegte ich mich wie ein Schlafwandler. Diese ständige Präsenz der Gefühle anderer Leute wurde zu einer regelrechten Belastung. Es interessierte mich gar nicht so sehr, ob der Kellner vor Glück hellrot pulsierte. Wahrscheinlich hatte er letzte Nacht guten Sex. Ging mich das was an? Nein! Und der Straßenkehrer brauchte mich auch nicht so neidgrün anzusehen.
Ein hellblaues, frisches Leuchten vor mir strahlte mich an. „Marek, altes Haus! Wie geht’s?“ Die Stimme kannte ich. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich vertraute Gesichtszüge unter dem Hellblau wahrnehmen. „Philipp? Schon wieder da? Ich dachte, du wärst in der Karibik.“ „War ich auch.“ „Du siehst erholt aus. Ganz hellblau.“ „Hellblau? Wieso hellblau? Wenn Du jetzt gesagt hättest, ich wäre braun geworden…“ Philipp schaute an sich hinunter. Ich setzte zu einer Erklärung an. „Ja, weißt du … deine Aura, die ist ganz hellblau. Das ist so, bei Menschen die entspannt und erholt sind.“ „Meine Aura?“ Er sprach das Wort aus wie etwas sehr suspektes. „Ja, ich hätte ja auch nicht gedacht, dass es so etwas gibt. Aber jeder Mensch hat eine. Man kann sie sehen, wenn man darauf achtet. Es funktioniert wirklich.“ Philipps Blick war jetzt geradezu mitleidig. „Marek. Mensch. Dass du dir so einen Blödsinn erzählen lässt.“ „Aber es ist kein Blödsinn. Du musst dich nur darauf einlassen. Probier es doch einfach mal aus.“
Philipp war wirklich ziemlich braun geworden. Er hatte so ein albernes Hawaiihemd an, wahrscheinlich hatte er das mitgebracht. Ich überlegte, warum mir das erst jetzt auffiel. Dann sah ich es. Die Aura! Sie war weg. Nicht nur bei Philipp. Bei den anderen Menschen, die vorbeigingen auch. In meinem Kopf mischten sich Erleichterung und Konfusion.
„Philipp! War nett, dich zu treffen. Ich muss weiter. Meld dich doch einfach die Tage mal.“ Schnell machte ich mich von dannen.
Das Telefon klingelt schon wieder. Das Display zeigt Philipps Nummer. ich weiß schon, warum du anrufst, mein Freund. Aber ich gehe nicht ran. Das Problem musst Du jetzt selbst lösen. Ich bin heute hellblau und vielleicht ein kleines bisschen dunkelgrün.
[f1][ Editiert von Capella am: 28.05.2004 11:42 ][/f]
[f1][ Editiert von Capella am: 28.05.2004 23:57 ][/f]
Thema von Capella im Forum Texte aller Art, Gedic...
Es war einmal ein Schriftsteller, der traurig vor seiner Schreibmaschine saß. Er wollte einen neuen Roman schreiben, oder zumindest eine Kurzgeschichte, aber es fiel ihm nichts Rechtes ein. Alle interessanten Geschichten schienen schon von anderen Leuten erzählt worden zu sein. Er seufzte und raufte sich die Haare. Als das auch nichts half, griff er nach seiner Thermoskanne. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: kein Kaffee mehr. Er seufzte gleich noch einmal. Gegen dieses Problem konnte er jedoch etwas unternehmen.
Er schlurfte in die Küche und setzte Wasser auf. Als er den Filter mit Kaffeepulver gefüllt hatte, rutschte ihm der Löffel aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Er bückte sich, um ihn aufzuheben und als er sich wieder aufrichtete, blieb er mit dem Jackenärmel am Kaffeefilter hängen und riss ihn herunter. Der frustrierte Schriftsteller seufzte noch einmal. Heute ging aber auch gar nichts so, wie er sich das vorstellte.
Als er schließlich das Kaffeepulver wieder zusammengefegt und in den Filter zurück gefüllt hatte und gerade das heiße Wasser eingießen wollte, hörte er plötzlich ein Geräusch, das ihn innehalten ließ. Es klang wie ein dünnes hohes Stimmchen und es schien direkt aus seiner Thermoskanne zu kommen. Er lauschte. "Hilfe!", rief das Stimmchen. "Hilfe, du wirst mich verbrühen."
Völlig perplex stellte der Schriftsteller den Wasserkessel zur Seite und hob den Kaffeefilter hoch, um in die Thermoskanne schauen zu können. Da flatterte ihm plötzlich etwas ins Gesicht und plumpste dann unbeholfen auf die Küchentheke. Verwundert rieb sich der Schriftsteller die Augen. Auf seiner Küchentheke saß eine kleine Gestalt, die aussah wie eine schlanke nackte Frau mit Libellenflügeln auf dem Rücken.
"Puh, das war knapp!", sagte sie, und ließ jetzt ihre Beine über die Kante baumeln, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, auf seiner Küchentheke zu sitzen. "Wer bist du?", fragte der Schriftsteller. "Und was um alles in der Welt bist du?" "Ich bin Kirilla die Wunschfee", antwortete das Wesen und lächelte freundlich. "Äh, ja, und was machst du in meiner Thermoskanne? Ich meine, wie bist du überhaupt da reingekommen? Eben warst du da bestimmt noch nicht drin." "Na ja, du hast eben dreimal in weniger als zehn Minuten geseufzt. Das hörte sich an, als bräuchtest du eine Wunschfee. Darum bin ich hier."
Der Schriftsteller starrte fassungslos die geflügelte Gestalt auf seiner Küchentheke an. "Heißt das, ich kann mir jetzt was wünschen?" "Klar kannst du dir was wünschen. Aber sag mal, willst du jetzt hier in der Küche Wurzeln schlagen?" "Wir können auch rüber ins Arbeitszimmer gehen", bot der Schriftsteller an. "Na, das klingt doch gemütlicher", sagte die Wunschfee, stieß sich leicht von der Küchentheke ab, flog hinüber zu seiner Schulter und ließ sich dort mit einer geschmeidigen Bewegung nieder.
Es machte ihn ein bisschen nervös, eine kleine nackte Fee auf seiner Schulter sitzen zu haben, und die Libellenflügel kitzelten ihn am Hals. "Vergiss den Kaffee nicht!", erinnerte sie ihn. Als sie an seinem Schreibtisch ankamen, flatterte sie von seiner Schulter wieder herunter und ließ sich auf seiner Schreibmaschine nieder. Sie war so leicht, dass sie über die Tasten laufen konnte, ohne sie einzudrücken.
Der Schriftsteller goss sich einen Kaffee ein. "Möchtest du auch?", fragte er die Wunschfee. Sie nickte eifrig. "Oh ja, gern, ich liebe Kaffee. Hast du einen Fingerhut?" Der Schriftsteller musste das verneinen. Fingerhüte gab es in seinem Haushalt nicht. Nach einigem Suchen fand er jedoch die Kappe eines dicken Filzstifts, füllte etwas Kaffee hinein und reichte sie der Wunschfee.
Dann stellte er die Frage, die ihm schon seit einigen Minuten auf den Lippen brannte. "Wie viele Wünsche darf ich denn haben?" Kirilla sah ihn erstaunt an. "Na, so viele wie du willst, natürlich." Der Schriftsteller glaubte, nicht richtig gehört zu haben. "Wie? Nicht nur drei Wünsche oder so? Ich darf mir alles wünschen, was ich will? Wo ist der Haken?" "Ich verstehe nicht. Ich bin eine Wunschfee. Warum sollte ich dir verbieten, dir mehr als eine oder drei Sachen zu wünschen?"
"Na ja, ich dachte nur, dass das viele Wunscherfüllen dann irgendwann anstrengend wird." Die Wunschfee machte ein komisches glucksendes Geräusch. "Ach so! Jetzt verstehe ich. Du denkst, ich erfülle dir die Wünsche dann auch. Nee, tut mir leid, ich glaube, du hast zu viele Märchen gelesen. So funktioniert das nicht." Die kleine Fee wollte sich geradezu ausschütten vor Lachen, hielt sich ihren Bauch und trommelte mit ihren Füßen auf die Tasten w und e.
Der Schriftsteller fühlte sich ein wenig an der Nase herumgeführt. "Du bist gar nicht hier, um mir Wünsche zu erfüllen?" Kirilla lachte noch immer und konnte als Antwort nur mit dem Kopf schütteln. "Ja, aber wozu bist du denn dann gekommen?", fragte der Schriftsteller. "Na ja, zum einen, weil ich Lust auf einen Kaffee hatte ... Kriege ich noch einen?", sie streckte die Filzstiftkappe vor und der Schriftsteller schenkte ihr nach. "Und zum anderen, weil du aussahst, als könntest du Hilfe gebrauchen."
"Ja, aber wenn du gar keine Wünsche erfüllst, wie willst du mir denn dann helfen?" "Ich könnte dir ja zum Beispiel zeigen, wie du deine Wünsche selber erfüllen kannst. Was ist denn dein größter Wunsch im Moment?" Das war einfach. Ohne zu zögern platzte der Schriftsteller heraus: "Endlich mal wieder eine Geschichte schreiben zu können. Eine neue, eigene, die noch keiner vor mir geschrieben hat." "Na", sagte die kleine Fee. "Das ist ja nun wirklich nicht so schwierig. Ich glaube, da hab ich dir ja doch ein bisschen helfen können."
Der Schriftsteller schaute verwirrt auf die Stelle, wo gerade noch die nackte kleine Wunschfee gesessen hatte. Statt schlanker Feenbeine lagen seine eigenen Finger auf den Tasten. Sein Blick fiel auf das bereits weitgehend voll beschriebene Blatt in seiner Schreibmaschine. Erstaunt las er, was er schon geschrieben hatte:
"Es war einmal ein Schriftsteller, der traurig an seiner Schreibmaschine saß. Er wollte einen neuen Roman schreiben, oder zumindest eine Kurzgeschichte… "
Thema von Capella im Forum Rezensionen, Einstelle...
Hi,
zur Zeit scheint es ja irgendwie chic zu sein, Bücher über das Schreiben herauszubringen. Nach Stephen King hat jetzt auch Elizabeth George sich diesem Thema gewidmet.
Elizabeth George schreibt in erster Linie Kriminalromane mit den Charakteren Inspektor Lynley und Barbara Havers, die in England spielen und international enorm erfolgreich sind. Man kann sie also problemlos als Bestsellerautorin einordnen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, kommt ihr "Wort für Wort oder Die Kunst ein gutes Buch zu schreiben" recht bescheiden daher. Elizabeth George legt großen Wert darauf, immer wieder zu betonen, dass sie nur einen möglichen Weg beschreibt, der für sie selber gut funktioniert, dass man das aber keinesfalls genauso machen muss.
Trotzdem erschöpft sich ihr Buch keinesfalls in persönlichen Anekdoten. Im Gegenteil, davon gibt es recht wenige. Es ist vielmehr eine wirklich fundiert geschriebene Übersicht darüber, wie man einen Roman oder eine andere längere Erzählung planen kann, wie man Schauplätze und Charaktere ausarbeitet, wie man einen Spannungsbogen aufbaut, Szenen plant etc.
Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von Figuren, was sicher daran liegt, dass Elizabeth George in ihren Büchern sehr ausgefeilte Charaktere benutzt und ihr diese Thematik am wichtigsten ist.
Veranschaulicht wird das ganze an sehr vielen ausführlichen (für meinen Geschmack manchmal schon zu ausführlich) Textbeispielen aus Romanen verschiedener Autoren. Meine "was ich alles mal lesen muss"-Liste hat sich jedenfalls deutlich verlängert. Leider sind durch die Übersetzung ein paar Patzer hineingeraten (Titel, die falsch zugeordnet wurden, z.B.), die einem aber wohl nur auffallen, wenn man die Texte und ihre Originaltitel kennt.
Ein Kapitel widmet sich der Grammatik und verschiedenen Satztypen des Englischen. Man kann das nur teilweise auf das Deutsche übertragen, worauf aber vom Übersetzer nicht näher eingegangen wird. Dieses Kapitel ist daher eher nutzlos, wenn man deutsche Texte schreibt bzw. kann einen sogar in die Irre führen.
Insgesamt hat mir "Wort für Wort" sehr gut gefallen, besser als die meisten andern Bücher, die ich zum Thema Schreiben bisher gelesen habe, was zum einen natürlich am ausführlichen und nützlichen Inhalt, zum anderen aber auch an Elizabeth Georges Schreibstil liegt, der locker und unterhaltsam ist.
Das Buch ist bei Goldmann als Taschenbuch erschienen und kostet 12 €.
Thema von Capella im Forum Texte aller Art, Gedic...
Fassungslos starrte Friedhelm Hellbrock auf den vergilbten Zettel in seiner Hand. Er war dabei, den Nachlass seines Vaters zu ordnen. Neben alten Fotos, einer Versicherungspolice, einem längst abgelaufenen Reisepass und dem Familienstammbuch hatte er dabei auch diese alte Quittung gefunden. „Eine Taschenuhr, Silber vergoldet, mit Gravur, 157,- DM, 13.12.1973“, stand darauf. Das ganze war mit einem Stempel eines Juweliergeschäfts in der Schützenstraße versehen. Friedhelm kannte den Laden, den gab es noch immer.
„Das ist ja wohl das Allerletzte, Vater!“, murmelte er leise, als könne der Verstorbene ihn hören, während er die Taschenuhr, die mit einer dünnen Goldkette an seiner Gürtelschlaufe befestigt war, hervorzog. Sie war sein kostbarster Besitz, zumindest war sie das bis eben gewesen. Als er dreizehn Jahre alt geworden war, hatte sein Vater ihn zur Seite genommen und ihm diese Uhr geschenkt.
„Das ist eine Familientradition“, hatte er erklärt. „Dein Ururgroßvater Sigismund hat sie seinerzeit vom Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich verliehen bekommen. Er hat dem Kaiser nämlich damals das Leben gerettet“, und ihm stolz die Gravur in der goldenen Uhr gezeigt: „Meinem tapferen Retter, Sigismund Hellbrock, zu eigen. S.M. 1893.“ „S.M. steht für ‚Seine Majestät’“, hatte der Vater erklärt. Friedhelm hatte die Uhr damals mit unglaublicher Ehrfurcht entgegengenommen und geschworen, sie zu hüten wie seinen Augapfel und sie später einmal an seinen eigenen ältesten Sohn weiter zu geben, wenn der dreizehn Jahre alt würde.
Immer und immer wieder hatte er sich von seinem Vater erzählen lassen, wie Sigismund damals heldenhaft ins Wasser gesprungen war, um den Kaiser vor dem Ertrinken zu retten, obwohl es März gewesen war und der Neckar kalt und reißend vom Schmelzwasser. Jedes Wort hatte er in sich aufgesogen, um es später seinem Sohn genauso erzählen zu können. Als er in Tübingen studiert hatte, hatte er alte Zeitschriftenarchive durchsucht, in der Hoffnung, vielleicht einen Artikel über den Bootsunfall des Kaisers und seine heldenhafte Rettung durch den armen Schuhmacher Sigismund Hellbrock zu entdecken. Er war nie fündig geworden. Und jetzt wusste er auch, warum. Die Uhr war eine Fälschung, ein übler Scherz, den sein Vater sich mit ihm erlaubt hatte.
Wütend knallte Friedhelm Hellbrock die Schreibtischschublade. Für heute war ihm die Lust vergangen. Sein Verhältnis zu seinem Vater war schwierig gewesen. Er war vom alten Schlag gewesen, hatte selten Emotionen gezeigt. Stets hatte Friedhelm das Gefühl gehabt, ihm nicht zu genügen. Die Uhr war ihm vielleicht auch deshalb immer so kostbar gewesen. Sie war der Beweis, dass er seinem Vater doch gut genug war, gut genug, die Familientradition fortzusetzen. Nie hatte er sich seinem Vater so nahe gefühlt, wie an dem Abend, als er ihm die Uhr übergeben hatte. Und jetzt? Alles Betrug!
Draußen war es schon dunkel und der Nieselregen passte zu Friedhelms Stimmung, als dieser den Heimweg einschlug. Ohne, dass er es bemerkte, trugen seine Füße ihn jedoch nicht auf kürzestem Weg nach Hause. In dem kleinen Juweliergeschäft in der Schützenstraße brannte noch Licht, und ein Glockenspiel über der Ladentür klingelte leise, als Friedhelm Hellbrock eintrat.
Ein sehr alter Mann war gerade dabei, die Auslagen in einem Stahlschrank wegzuschließen. Er schaute Friedhelm an. „Ich schließe eigentlich gerade. Aber wenn es schnell geht, was kann ich denn für Sie tun?“ „Ja, wissen Sie…“, setzte Friedhelm an. „Ich weiß gar nicht, ob Sie mir wirklich weiterhelfen können.“ „Ja, junger Mann, wenn Sie mir nicht ein bisschen mehr verraten, dann weiß ich das auch nicht“, sagte der Alte und lächelte freundlich. Friedhelm riss sich zusammen. „Ich wollte nur fragen, ob Sie diese Uhr verkauft und graviert haben.“ Er hielt sie dem Juwelier hin. Dieser betrachtete sie zunächst von außen. „Kann sein. Ist ein recht häufiges Modell, das haben wir früher oft verkauft.“ Als er sie jedoch aufklappte und die Gravur im Deckel las, wurde seine Stimme sanft und er lächelte noch mehr. „Ja, diese Uhr habe ich graviert. Daran kann ich mich noch erinnern. Das muss jetzt fast dreißig Jahre her sein.“ „Einunddreißig“, sagte Friedhelm. „Die haben Sie von ihrem Vater bekommen, richtig?“ „Ja, richtig! Und wissen Sie, was er mir dazu erzählt hat?“ „Dass ein Vorfahr von ihnen dem Kaiser das Leben gerettet hat und dass es Familientradition ist, diese Uhr an den ältesten Sohn weiterzugeben?“ „Das hat er Ihnen erzählt?“
Das wurde ja immer besser. Nicht nur, dass sein Vater sich einen üblen Scherz mit ihm erlaubt hatte, er hatte es scheinbar auch noch herumerzählt, so dass sich auch andere Leute über ihn lustig machen konnten.
Der Juwelier nickte. „Ja, so etwas in der Art hat er erzählt. Ich weiß noch, dass mich das damals unglaublich gerührt hat.“ „Gerührt? Wohl eher belustigt.“ Der Alte sah Friedhelm verständnislos an. „Wieso belustigt? Nein, ich fand es so eine schöne Idee. Aber sagen Sie, seit wann wissen Sie denn, dass die Uhr nicht echt ist?“ „Seit gerade eben“, erklärte Friedhelm. „Mein Vater ist letzte Woche gestorben. Ich bin seine Papiere durchgegangen und habe dabei zufällig die Rechnung gefunden. Soviel zur großartigen Familientradition und darauf, wie stolz er auf mich war.“ Er konnte nicht vermeiden, dass seine Stimme bebte.
„Das mit ihrem Vater tut mir leid. Ich kannte ihn ja kaum. Aber ich kann Ihnen versichern, dass er wirklich sehr stolz auf Sie gewesen ist. Er konnte Ihnen das nur nie sagen. Als er damals bei mir war, da hat er gesagt, dass er Ihnen so gerne ein ganz besonderes Geschenk machen würde. Etwas, das man eben nicht einfach so in einem Laden kaufen kann.“ „Und da hat er mal eben so eine ‚Familientradition’ erfunden?“ Friedhelm wusste noch immer nicht, was er von der Sache halten sollte. „Ja. Weil er wollte, dass sie stolz auf ihre Familie sein können. Wissen Sie, dass ihr Vater seinen Vater nicht gekannt hat?“ „Er ist im Krieg gefallen, als er noch sehr jung war“, erklärte Friedhelm und während er es aussprach fiel ihm auf, dass alleine deshalb die Geschichte mit der Familientradition ja nicht stimmen konnte. „Schlimmer!“, erklärte der Juwelier. „Sein Vater hat ihre Großmutter verlassen als der Junge zwei Jahre alt war. Durchgebrannt. In der damaligen Zeit. Ihr Vater hat mir gesagt, dass er sich so geschämt hat für seinen Vater. Und dass er nicht wollte, dass Sie sich auch so schämen müssen. Deshalb hat der die Geschichte mit der Uhr erfunden. Und die Familientradition.“
Friedhelm schwieg. Er spürte, wie seine Augen feucht wurden. „Entschuldigen Sie!“, bat er und wandte sich ab. „Ihr Vater hat Sie sehr geliebt. Ich wünschte, mein Vater hätte mir jemals ein solches Geschenk gemacht“, sagte der Juwelier. Friedhelm begann zu schluchzen. Keine Träne hatte er bisher über den Tod seines Vaters vergießen können, aber jetzt brach der Schmerz aus ihm hervor. Er weinte um die schönen Erlebnisse, die er mit seinem Vater gehabt hatte und noch mehr um die, die sie wegen ihrer ständigen Missverständnisse nicht gehabt hatten.
Der alte Juwelier legte ihm die Hand auf den Rücken und ließ ihn weinen. Als Friedhelms Schluchzen leiser wurde, reichte er ihm ein Taschentuch. „Es tut mir leid“, sagte Friedhelm. „Normalerweise platze ich nicht so mit meinen Gefühlen heraus.“ „Das ist kein Grund, sich zu entschuldigen.“ „Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen.“ „Das habe ich gerne gemacht“, sagte der Alte und begleitete Friedhelm zur Tür.
Zwei Wochen später brannten auf einem Kuchen auf dem Hellbrockschen Küchentisch dreizehn Kerzen. Mit klopfendem Herzen packte Moritz seine Geschenke aus. Als er zu der Taschenuhr kam, sah sein Vater ihn freundlich an. „Das ist eine ganz besondere Uhr“, erklärte er. „Die hat dein Urururgroßvater Sigismund Hellbrock von Kaiser Wilhelm II. persönlich geschenkt bekommen. Und das kam so…“
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Weiden sind heimtückische Bäume. Ihr wisst es nicht, denn ihr seht sie immer nur friedlich am Wasser stehen, ihre langen dünnen Zweige der im Mondlicht silbrig glänzenden Oberfläche entgegenstreckend. Doch bei Neumond, bei Neumond verlassen sie ihren angestammten Platz, recken knarrend ihre verschlungenen Glieder und stapfen langsam aber unaufhaltsam auf die Häuser der Menschen zu. Ihr glaubt mir nicht, ich sehe es euch an. Aber fragt eure Kinder. Fragt sie, wie oft sie schon in einer mondlosen Nacht voll Schrecken aus dem Schlaf erwacht sind, weil lange dürre Finger vor ihre Fensterscheiben klopften, ganz leise und sacht zunächst, aber mit immer größerer Beharrlichkeit. Und fragt sie nach den Gesichtern aus Holz und Blättern, die sie durch das Glas angestarrt haben. So sind sie, die Weiden. Und sie beschränken sich nicht darauf, Kinder zu erschrecken. Sie haben weit schlimmeres im Sinn und lauern nur auf die richtige Gelegenheit.
Ich hätte es verhindert, wenn Anna oder ihr Mann Klaus auch nur einmal stehen geblieben wären, um mir zuzuhören. Ich hätte sie gewarnt. Oft genug habe ich es versucht. Aber sie waren taub, so wie ihr überhaupt alle immer taub seid für das, was ich euch zu sagen habe.
Wie habe ich mich für die beiden gefreut, als sie im letzten Sommer hier eingezogen sind. Sie waren so voller Kraft und Liebe und so jung. Tag für Tag erfüllte Annas Lachen den alten Garten, während sie Beete anlegte und Unkraut jätete, Fallobst sammelte und Wäsche zum Trocknen in die Sonne hing. Abend für Abend kehrte Klaus heim zu ihr und stürzte sich mit Feuereifer darauf, das baufällige Haus zu reparieren und sein Lachen mischte sich mit ihrem und mit dem Geräusch von Sägen, Hobeln und Hämmern.
Natürlich konnte ich nicht alles sehen, was die beiden miteinander taten. Es ging mich ja auch nicht wirklich etwas an. Doch dass ihre Liebe Früchte trug, konnte ich Annas Leib schon im Winter deutlich ansehen. Natürlich war ich nicht die einzige, die es sah. Auch die Weiden am Bach, ganz in der hintersten Ecke des Gartens, wussten Bescheid. Ich spürte geradezu, wie ihre Gier und Vorfreude wuchs, wann immer Anna ihnen beim Wäscheaufhängen oder Unkraut jäten nahe kam. Sie hätte es auch bemerken können, wenn sie dem Wispern der Weidenblätter mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte.
Als Annas Leib immer runder wurde, kam sie seltener in den Garten. Dafür übernahm Klaus mit dem Einsetzen des Frühjahrs viele ihrer Arbeiten. Oft blieb er auch bei mir stehen und fast hoffte ich, er hätte mich verstanden, als er eines Morgens die Beete unter den Schlafzimmerfenstern umgrub und neu bepflanzte. Doch er pflanzte nur fleißige Lieschen, hübsch anzuschauen, aber dumm wie Bohnenstroh und als Schutz nun wirklich keinen Pfifferling wert.
So konnte ich mich nicht wirklich für die beiden freuen, als schließlich der kleine Mischa zur Welt kam. Es war Mai und die Tage waren schon wieder lang und warm. Voller Stolz trugen Anna und Klaus ihren Sohn im Garten herum, nicht ahnend, dass sie damit die böse Begierde der Weiden noch mehr anstacheln würden.
Nachts ließen sie, stellt euch nur vor wie töricht, das Kinderzimmerfenster halb geöffnet. Dabei weiß doch jeder, wie gut ein Säugling riecht, und dass der Geruch die anlockt, die Böses im Sinn haben. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die alten Weiden sich auf den Weg machen würden, um ihr böses Spiel zu treiben. Sie warteten bis zur nächsten Neumondnacht.
Ich konnte hören, wie sich ihre Wurzeln mit leisem Schmatzen aus dem Schlick am Bachufer lösten. Langsam, ganz langsam, setzten sie knarrend einen Wurzelfuß vor den anderen und bewegten sich so auf das Haus zu.
Ein Kauz ließ seinen Warnruf erschallen. „Wenn ein Kauz ruft, stirbt ein Mensch!“, sagen die Alten. Sie haben recht damit. Aber es ist nicht die Schuld des Kauzes, er will nur Gutes tun. Doch auf ihn hört ihr ja genauso wenig, wie auf mich.
Schon hatten die Weiden die Hauswand erreicht. Warum nur hörten Anna und Klaus das Klappern nicht, als ihre höchsten Äste an die Dachrinne schlugen? Warum sah keiner von ihnen die dürren, langen Schatten vor den Fenstern? Die erste Weide streckte ihre dünnen langen Zweige durch den Fensterspalt. Ihre Spießgesellinnen taten es ihr nach.
Jetzt wurde das Baby wach, doch sein Versuch zu schreien, als es das Böse auf sich zukommen sah, wurde sogleich durch Weidenblätter erstickt, die sich in seinen Mund schoben. Dünne, biegsame Weidenruten schlangen sich um seinen Hals. Es braucht so wenig, einen Säugling zu töten -- so ein kleiner, hilfloser Körper.
Niemand weiß, warum die Weiden das tun, warum es ihnen solche Befriedigung bereitet, junges unschuldiges Leben zu nehmen. Ebenso unbemerkt, wie sie gekommen waren, zogen sich die Bäume wieder ans Bachbett zurück.
Kurz darauf ging das Licht im Kinderzimmer an. Es war Zeit für Anna, Mischa zu stillen, der in dieser Nacht so besonders ruhig in seinem Bett zu schlummern schien. Erst als Anna näher trat, sah sie, dass er blau angelaufen war. Ihr verzweifelter Schrei weckte Klaus.
Später tauchten die flackernden blauen Lichter auf dem Polizei- und Notarztwagen den Garten in unheimliches Licht. „Dort!“, versuchte ich ihnen zuzurufen. „Seht ihr nicht, dass die Weiden an anderer Stelle wurzeln als zuvor? Schaut euch doch den aufgerissenen Boden an!“ Doch natürlich hörten sie mich nicht. Sie verluden den kleinen Leichnam in einem Plastiksarg. Dann führten sie Anna und Klaus ab. „Schrecklich, wie oft Eltern mit ihrem Neugeborenen überfordert sind“, sagt der Notarzt zu einem der Polizisten. „Das ist doch kein Grund, ein Kind zu töten. Dann holt man sich eben Hilfe“, antwortet dieser, sichtlich erschüttert.
Inzwischen ist der Garten verwildert. Klaus und Anna leben hier nicht mehr. Ich hätte ihnen geholfen, aber sie haben ja nicht auf mich gehört. Ich bin nur eine alte knorrige Eberesche, die am Ende des Gartens steht. Neben die Schlafzimmerfenster sollt ihr uns pflanzen! Nur da können wir euch beschützen.
Thema von Capella im Forum Texte aller Art, Gedic...
Darf ich finden, dass Halbfettprodukte scheußlich schmecken? Darf ich auch Haare neben meinem Bikinihöschen haben? Darf mein rechter oberer Eckzahn ein Stück länger sein als der linke? Darf ich auch mal nach mir selbst riechen?
Darf ich Schuhe tragen, die einfach nur bequem sind? Darf ich beim Lachen überall Grübchen haben, auch in den Pobacken? Darf ich auch falsch singen, wenn ich nicht unter der Dusche stehe? Darf ich Heidi Klum saublöd finden, ohne als neidisch zu gelten?
Darf ich zwei Tage hintereinander das Gleiche anziehen? Darf ich Yves Rocher sagen, dass sie bitte keine Werbekataloge mehr schicken? Darf ich Unterhosen tragen, die nicht im Schritt kneifen? Darf ich wirklich einfach so sein, wie ich bin?
Thema von Capella im Forum Tipps und Erfahrungen...
Hi,
ich mach dafür mal einen eigenen Thread auf, weil es in den "Warum eigentlich" Thread, in dem es bis jetzt diskutiert worden ist, nicht hineingehört.
Die "Normseite" ist eigentlich ein technischer Anachronismus, oder sollte es sein. Sie stammt aus einer Zeit, in der Manuskripte mit Schreibmaschine getippt wurden und es keine Möglichkeit gab, die Zeichenanzahl automatisch zu ermitteln. Da wurden nicht nur Buchmanuskripte, sondern z.B. auch wissenschaftliche Arbeiten in diesem Normseitenformat getippt, weil das erstens ganz gut lesbar war und zweitens dem Lektor/Korrektor/Bewerter eine schnelle Abschätzung über den Umfang des Gesamttextes erlaubt.
Auch auf einer genau eingerichteten Normseite sind in der Regel keine 1800 Zeichen. 1800 Zeichen sind vielmehr das Maximum, das daraufpassen würde (30 Zeilen a 60 Anschläge). Leerzeichen, Leerzeilen oder halbleere Seiten vor einem neuen Kapitel werden da stumpf mitgezählt, wenn die Gesamtzeichenzahl ermittelt wird. Die Gesamtzeichenzahl nach Normseitenzählung ist also immer etwas größer als die, die man beispielsweise mit Word ermittelt (selbst bei der Zählung inklusive Leerzeichen), denn hier werden Leerzeilen und Leerräume vor einem Seitenumbruch nicht gezählt.
Trotzdem ist diese Zeichenzählung nach Normseiten ein sinnvolles Maß, dass es dem Lektor erlaubt, sozusagen auf einen Blick abzuschätzen, wie viele Seiten das endgültige Buch umfassen wird. Das ist je angestrebtem Buchformat unterschiedlich, da spielen Seitengröße, Schriftgröße, Seitenränder, evtl. Platz für Illustrationen, Layout von Kapitelanfängen etc. natürlich eine Rolle. Daher gibt es auch in dem anderen Thread so unterschiedliche Einschätzungen, wie Normseiten in Buchseiten umgerechnet werden. Für einen Lektor, der diese Abschätzung aber für ein bestimmtes Produkt vornimmt, also für einen Titel in einer bestimmten Buchreihe oder eben für ein in seinem Verlag verwendetes Standardformat, ist es recht klar, ob 200 Normseiten jetzt 150 oder 300 Buchseiten werden.
Bei einem Papierausdruck (und die meisten Manuskripte werden ja immer noch so eingereicht) macht man dem Lektor seine Arbeit also leichter, wenn man möglichst genau an dieses alte Schreibmaschinenformat herankommt. Denn auch, wenn man selbst ja bequem auf den "Wörter zählen" Knopf in Word drücken konnte, der Lektor kann es nicht, wenn er nur den Ausdruck in der Hand hat. Dem Lektor sein Leben so leicht wie möglich zu machen ist immer eine gute Idee!
Bei Verlagen, bei denen man die Texte als Datei einreicht (auch das gibt es inzwischen, vor allem bei Kleinverlagen und natürlich erst recht bei BOD) kann man auf die Normseite eher verzichten. Am besten fragt man vorher an, in welcher Form Manuskripte eingereicht werden sollen.
Ich finde die Normseite beim Schreiben z.B. eher unpraktisch, ich schreibe lieber einzeilig, so dass ich mehr auf einmal am Bildschirm sehen kann und wandele das Manuskript gegebenenfalls am Ende vor dem Ausdrucken um. Oder auch schonmal zwischendurch, um eben zu gucken, bei wie vielen Normseiten ich denn jetzt bin.
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Heute ist einer dieser Tage, an denen ich unsichtbar bin. Es ist, als sei ich einfach gar nicht da. Keiner redet mit mir. Es interessiert niemanden, ob ich hier sitze und meine Arbeit tue oder nicht. Natürlich bekomme ich auch keine Email, nicht eine einzige, nicht einmal Spam. Versuchsweise stelle ich mich auf meinen Schreibtisch und tanze einen Steptanz. Die Kollegen schauen nicht auf. Ich mache früher Feierabend.
Im Supermarkt rennen mich dauernd irgendwelche Leute um, ohne sich auch nur zu entschuldigen. Nachdem mir in der Kassenschlange das dritte Mal ein Einkaufswagen in die Hacken gefahren ist und sich zwei Frauen vorgedrängelt haben, packe ich meine Einkäufe in die Tasche und gehe an der Kasse vorbei, ohne zu bezahlen. Niemand hält mich auf.
Ich stehe fünf Minuten an der Fußgängerampel und hämmere auf den Knopf ein, der mir Grünlicht gewähren soll. Nicht einmal die blöde Ampel nimmt mich ernst. Ich überquere die Kreuzung trotzdem. Der Motorradstreifenpolizist sieht mich nicht. Hätte mich auch gewundert. Kurz erwäge ich, die Situation auszunutzen. Ich könnte zum Beispiel in den Zoo gehen, ohne Eintritt zu bezahlen. Oder mich in die Umkleidekabinen des Stadions schleichen und den Fußballern beim Duschen zusehen. Aber das habe ich letztes Mal schon gemacht. Man überschätzt die Erfahrung.
Ich gehe nach Hause. Keine Post, keine Anrufe auf dem Anrufbeantworter. Ich versichere mich kurz, dass wenigstens mein Name noch an der Tür steht. Irgendwann werde ich wahrscheinlich an einem solchen Tag nach Hause kommen und meine Wohnung ist an jemand anderen vermietet.
Während ich mir einen Tee koche, kommt die Vorfreude. Ich zwinge mich, die Programmzeitschrift in Ruhe durchzublättern, treffe meine Auswahl mit Bedacht. Schimanski? Nein, das ist mir heute zu aufregend. Unsere kleine Farm? Vielleicht schon ein bisschen zu oft gesehen. Da! Das ist es. Mit zitternden Fingern drücke ich die Fernbedienung.
Robert Redford sieht mich an und streckt mir seine Hand entgegen. „Schön, dass du kommen konntest“, sagt er und schließt mich in seine Arme. Dann sehen wir zusammen die afrikanische Sonne groß am Horizont untergehen.